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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Das stille Fest

Der letzte Donnerstag im November, über diesem Tag liegt hier ein ganz besonderer Zauber. Es ist der Tag des Thanksgiving- Festes. Hervorgegangen ist es aus einer Art Erntedank der ersten Siedler. Das besondere an diesem Fest ist, daß es sehr einfach geblieben ist.
Weihnachten ist hier zu einer riesigen Industrie ausgeartet, mit Ostern ist es auch nicht besser. Reiner Konsumrausch, alle sind besessen vom Gedanken an Geschenke und üppige Dekorationen. Aber zu Thanksgiving verdienen die Geschäftsleute wenig. Teure Geschenke sind nicht üblich, dafür aber ein großes Essen im Familienkreis, für das nur ein Hauptgang in Frage kommt. Der Truthahn, als ganzes gebraten, gefüllt, mit Kartoffelpüree und anderen Beilagen reichlich geschmückt, das ist der Star des Abends, um den sich alles dreht. Schon seit Wochen sind hier die Zeitungen voll mit nützlichen Tips für die richtige Zubereitung, und die Frage, ob ein frischer oder ein gefrorener Truthahn vorzuziehen sei, wird stets aufs neue heftig diskutiert.
An diesem Tag versuchen sich dann auch manche als Küchenkünstler, die sonst das ganze Jahr über bestenfalls Fertigfutter in den Mikrowellenherd schieben. Ihnen steht zur Thanksgiving- Zeit rund um die Uhr die „Turkey- Hotline" zur Verfügung, ein kostenloser Telefonservice der amerikanischen Geflügelzüchter. Ein Anrufer ist den diensthabenden Beratern besonders in Erinnerung geblieben. Er hatte den tiefgefrorenen Vogel ins glühendheiße Backrohr geschoben, so wie er war. Erst ein stechender Geruch machte ihn darauf aufmerksam, daß er vielleicht die Plastikhülle, die den Truthahn umgibt, entfernen hätte sollen. Die Hotline- Helfer konnten den Truthahn auch nicht mehr retten. Sie konnten den Mann aber wenigstens dazu beglückwünschen, daß er mit seiner eigenwilligen Küchentechnik nicht auch noch Heim und Herd in Brand gesteckt hat.



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