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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Neuer Gegner

Vorige Woche bin ich vorbeigegangen an den riesigen Bürogebäuden des amerikanischen Parlaments auf dem Kapitol. Sie sind sonst sonst voller Aktivität an geschäftigen Arbeitstagen. Jetzt blieben sie zugesperrt und verlassen. Wie ausgestorben, hätte man früher gesagt, aber heutzutage ist man mit derlei Formulierungen lieber vorsichtig. Denn die Vision, daß in diesen Häusern tatsächlich tödliche Keime die Runde machen können, ist etwas neues, etwas völlig ungewohntes.
Verblüffend ist die enorme Wirkung, die ein einziger, unscheinbarer Brief ausgelöst hat. Die Briefbomben des Österreichers Franz Fuchs haben Menschen lebensgefährlich verletzt, aber die Gefahr war jeweils kurz nach der Explosion wieder vorbei. Die Briefe mit den Milzbrandkeimen wirken anders. Bei ihnen bleibt die Gefahr erhalten. Selbst wenn man den Bakterienbrief vernichtet, können die Sporen noch in der Luft bleiben. Sie können weiterziehen, geruchlos und unbemerkt, wie auf dem Kapitol, als man Spuren davon bei dutzenden Mitarbeitern orten konnte.
Jetzt treibt die Angst vor dem neuen Gegner bunte Blüten: Um das Antibiotikum Cipro, das wichtigste Mittel gegen den Milzbrand, hat sich ein regelrechter Kult entfaltet. Ärzte werden bestürmt, Cipro zu verschreiben, für ganze Familien und dazu noch für Katzen, Hunde und andere Haustiere. Cipro kann bei Kindern schwere Schäden verursachen. Auch für Vierbeiner ist es nicht gerade ideal geeignet. Aber derzeit gehört es einfach zum guten Ton, das Medikament im Haus zu haben.
Die Pillendose erfüllt damit für viele die Funktion der Versicherungspolizze. Eigentlich weiß jeder, daß das Versichern einen Schaden nicht verhüten kann, aber andererseits hofft jeder, daß es sich das Schicksal vielleicht noch einmal anders überlegt. Dann nämlich, wenn es auf Leute trifft, die fest daran glauben, daß sie rechtzeitig vorgesorgt haben.



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