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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Sechs Stunden Unterschied

Das waren noch Zeiten, als man gepflegt mit dem Schiff über den Atlantik fuhr, um in die Neue Welt zu kommen. Wer sich teure Kabinen und luxuriöse Menüs an Bord leisten konnte, der hatte es sehr bequem. Weniger gut erging es den armen Teufeln, die im Zwischendeck zusammengepfercht das Ende der leidvollen Überfahrt herbeisehnen mußten. Eines aber blieb Reichen und Armen damals gleichermaßen erspart: die Erfahrungen mit der inneren Uhr des Menschen, die uns nun im Zeitalter des Düsenflugzeugs zu schaffen machen.
Meine Armbanduhr habe ich rasch umstellen können nach dem Winterurlaub in Kärnten: Sechs Stunden Zeitunterschied, das heißt, wenn es in Klagenfurt 12 Uhr mittags ist, dann ist hier die Sonne noch nicht einmal aufgegangen. Sechs Uhr früh ist es dann hier in Washington. Aber die Uhr, die tief drinnen im eigenen Körper über das Wohlbefinden wacht, läßt sich nicht so einfach zurückdrehen. Man fühlt sich ein paar Tage lang ziemlich matt, denn der Körper wehrt sich gegen die plötzliche Umkehrung von Tag und Nacht.
Bei unseren Kindern tickt die innere Uhr nach der Rückkehr aus dem Urlaub tagelang weiter im alten Takt. Und so kommt es, daß meine liebe, dreijährige Klara und mein lieber, eineinhalbjähriger Simon um drei Uhr früh putzmunter am Bettrand der Eltern stehen, ihr Frühstück verlangen und in den Garten spielen gehen wollen.
Auch am Telefon macht man seine Erfahrungen mit der Zeitverschiebung. Wenn es mitten in der Nacht läutet, dann denkt man als Journalist zuerst an irgendeine Sensationsmeldung. Es ist aber zuweilen nur ein etwas verwirrter Kollege aus Wien am Apparat, der auf dem automatischen Telefon den Knopf für London drücken wollte und versehentlich Washington erwischt hat. Ein schmerzliches Vertippen, wenn es in London schon angenehmer Vormittag ist, in Washington dagegen noch bleischwere Nacht.



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