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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Schrecksekunde

Es ist ein kurzer, schneller Stich, den man jetzt immer wieder in der Magengrube spürt. Der Stich kommt immer dann, wenn Meldungen wie diese im Radio ertönen: „In Florida ist ein Mann am Milzbrand erkrankt, verursacht durch Anthrax- Bakterien". Da ist er, der Stich. Was? Anthrax? Das angebliche Lieblingsbakterium der Terroristen, die möglicherweise vorhatten, Unmengen davon über Amerika zu versprühen? Die Entwarnung folgt sogleich, im zweiten Satz: "Die Behörden gehen von einem Einzelfall aus, Terror dürfte auszuschließen sein." Die Magengrube beruhigt sich wieder, aber ein nervöses Prickeln bleibt. Ganz ähnlich war es letzte Woche, als die Meldung die Runde machte, es hätte einen Selbstmordanschlag auf einen Bus gegeben. Ein Anschlag war es zwar, aber er war das Werk eines drogensüchtigen Verrückten, kein politisch oder religös motivierter Schreckensakt.
Die Kaufhäuser in unserer Umgebung locken jetzt mit Riesenabverkäufen, bieten Nachlässe bis zu 60 Prozent an. Sie müssen es tun, um verschrecke Kunden anzulocken. Denn viele Amerikaner fühlen sich immer noch in den eigenen vier Wänden am sichersten und meiden große Menschenansammlungen.
Die Apotheken haben dagegen Hochkonjunktur. Vor allem Beruhigungsmittel sind gefragt. Besonders Vorsichtige lassen sich von willigen Ärzten Riesenvorräte an Antibiotika verschreiben, für den Fall, daß es die berüchtigten Bio- Terroristen mit ihren Krankheitskeimen tatsächlich geben sollte.
Gasmasken sind landesweit ausverkauft. Eine Freundin hat erzählt, sie würde gerne Chemie- Schutzanzüge für ihre ganze Familie kaufen. Das sind diese ballonförmigen Ungetüme, die man bisher nur von den Übungen der geheimnisumwitterten Spürtrupps kannte.
Viele hier haben den Schreck nach kurzer Zeit überwunden; bei anderen aber dauert die sprichwörtliche Schrecksekunde nun schon einige Wochen lang an.



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