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Überseevon Peter Fritz
Kriegsgebiet D.C.Peter Fritz, ORF- Korrespondent und Kolumnist der “Kärntner Woche”, erlebte den Terror aus nächster Nähe.Dienstag, kurz vor neun Uhr früh: Vor einer Stunde habe ich mit Wien über die amerikanischen Themen des Tages gesprochen: Parteienstreit ums Budget, der Außenminister in Südamerika. Ein Routinetag, nicht viel los. Dann läutet das Telefon. Scotty, mein Kameramann, hat es als erster im Fernsehen gesehen: “Flugzeugabsturz auf das World Trade Center in New York!” Noch glaubt niemand an einen Terroranschlag. Ich stürze zum Fernseher, sehe live, wie die nächste Maschine in den zweiten Turm rast. Ein Feuerball, dann dichter Rauch. Jetzt ist kein Zweifel mehr möglich: Das war eine gezielte Aktion. Ich schnappe Schreibzeug und Handy, rufe meiner Frau Bea zu “Ich muß nach New York !”. Sie ruft: ”Ich bring´dich schnell zum Flughafen, dann mußt du keinen Parkplatz suchen!” Wir hetzen zum Auto. Scotty hat im Büro die Kamera geschnappt, ist unterwegs zum Flughafen. Ticket bekommt er keines mehr, denn in dieser Minute werden alle Flughäfen gesperrt, alle Flugzeuge zum sofortigen Landen befohlen. Dann ist Scotty wieder am Handy: “Explosion beim Pentagon!” In dieser Minute sehen wir schon den riesigen Rauchpilz aufsteigen, fahren genau darauf zu, denn der Weg zum Flughafen führt direkt am Pentagon vorbei. Minutenlang versuche ich, mit dem Handy nach Wien durchzukommen. Das Netz ist total überlastet. Dann, endlich, eine freie Leitung ins Studio. Der schmtziggraue Rauch hängt direkt über uns, Polizei blockiert den Weg. Ich schildere live die ersten Eindrücke: Feuerwehr und Rettung rasen vorbei, dann kommen uns aus den Bürohäusern hunderte Leute entgegen. Alle Büros werden geräumt. Keiner weiß, was noch bevorsteht. Im Autoradio neue Meldungen: Autobombe vor dem Außenministerium! Anschlag auf das Washington Monument!”. Daß es Falschmeldungen sind, erfahren wir erst später. Ich schaue Bea von der Seite an, denke mir: Eigentlich war es ein Wahnsinn, zu zweit loszufahren. Wir sind praktisch mitten im Kriegsgebiet. Zurück über die Brücke, ein Blick zum Horizont. Das Washington Monument, der riesige Obelisk, steht noch. Wenigstens etwas. Ungläubig hören wir, daß der erste Turm des World Trade Center zusammengesackt ist. Ich überlege kurz: Neun Uhr, kurz vor Arbeitsbeginn. Da müssen tausende Menschen drin gewesen sein. Wenig später stürzt der zweite Turm ein. Im Studio reißen wir die Kamera vom Stativ, halten sie aus dem Fenster, zeigen live, wie der dichte Rauch vom Pentagon aufsteigt. Hartmut Fiedler schnappt seine Sachen. Er versucht, nach New York durchzukommen, es gelingt ihm über stundenlange Umwege mit Auto, Zug und U- Bahn. Wir versuchen, möglichst kühl zu berichten, zu schildern, was passiert ist. Aber die Dramatik der Ereignisse, die plötzliche Konfrontation mit tausendfachem Tod, sie machen es einem schwer, den üblichen, distanzierten Reporterton zu treffen. Der Tag geht in die Nacht über, die Nacht in den Tag. Von Schlaf keine Rede. Extreme Nervosität bei allen: “In Afghanistan kracht es schon!” berichtet CNN in aufgeregtem Ton. Ist das der amerikanische Gegenschlag? Es dauert Stunden, bis klar wird, dass die Amerikaner nichts damit zu tun haben. Aus New York kommen Meldungen, die sich anhören wie Kriegsberichte von der Front: 300 Feuerwehrmänner sind tot. Sie wollten als erste helfen als am Ort des Geschehens, dann sind die Türme auf sie heruntergekracht. Leute, die nur durch Zufall überlebt haben, treten vor die Kameras, noch schwer geschockt, bedeckt mit der hellgrauen Staubschicht, die in diesen Stunden halb Manhatttan bedeckt. Mit einem Mal ist das Wort “Krieg” in aller Munde. Der Präsident redet ebenso davon wie die Leute auf der Straße. Aber wo ist der Feind? Natürlich sind die üblichen Verdächtigen schnell bei der Hand, allen voran Osama ben Laden und sein internationales Netzwerk des Terrors. Aber diesen Feind zu fassen wird die schwierigste Aufgabe überhaupt. Denn er hat keine Waffen außer ein paar Papierschneidmessern, er hat kein wirkliches Hauptquartier, und er hat zu allem entschlossene Kämpfer in mehr als 35 Ländern der Welt. Zwei Tage später: Bea geht mit Kerzen in der Hand zu einer Gedenkfeier in unserer Nachbarschaft. Als sie heimkommt, ist sie tief bewegt vom Zusammenhalt der Leute. Aber zugleich ist sie besorgt. Denn in die Trauer mischen sich schon erste Laute von dumpfem, undifferenziertem Haß. Ein paar Tage später wird in Arizona ein Mann erschossen, aus einem vorüberfahrenden Auto. Er war ein Inder. Er hatte einen Bart und den traditionellen Turban auf dem Kopf. Der Täter hatte ihn offensichtlich für einen Araber gehalten, denn wenig später schießt er nochmals, auf einen Tankwart aus dem Libanon. Der neue Krieg braucht Helden, hat der amerikanische Verteidigungsminister im Fernsehen gesagt. Da wollte einer in Arizona den selbsternannten Helden spielen und vielleicht noch Applaus dafür ernten. Ein kühler Herbstwind weht durch die Straßen. Es wird um einiges ungemütlicher werden in diesem Land. Copyright © |