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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Stimmen von der Straße

Ich stehe an der großen Straßenkreuzung im Stadtteil Georgetown, das Mikrophon mit dem roten ORF- Würfel in der Hand. Douglas, mein Kameramann, versorgt mich mit guten Tips: „Probier einmal den, der schaut aus, als wäre er ein Bush- Fan". Oder: „Schau die Frau an, so wie angezogen ist, ist sicher auf der Seite von Al Gore". Ich bin losgezogen, um für die ZiB 2 Straßeninterviews zu machen. Tags zuvor ist im Fernsehen das große Duell gelaufen, zwischen George Bush und Al Gore. Einer der beiden wird der nächste Präsident der USA sein.
Das Rennen ist spannend wie selten zuvor. Noch immer liegen die beiden Kandidaten Kopf an Kopf. Aber an diesem Tag in Georgetown ist von der Spannung des Vorabends wenig zu spüren. Ich muß fünf Leute ansprechen, bevor ich einen finde, der das Duell überhaupt gesehen hat. Er antwortet gerne, aber es stellt sich heraus, daß er ein Tourist aus Norwegen ist. Das kann ich den ZiB 2- Zuschauern nicht gut als Reaktion der amerikanischen Wähler verkaufen. Der nächste hat zwar die Fernsehdebatte gesehen, aber er arbeitet selbst beim Fernsehen und ist daher kamerascheu. Das ist gar nicht so außergewöhnlich. Schließlich soll es auch Fleischhauer geben, die nie einen Leberkäse essen. Warum? Weil sie wissen, wie er gemacht wird. Fernsehmenschen haben zuweilen ähnliche Reflexe.
Nach ein paar weiteren erfolglosen Versuchen bekomme ich endlich meine Antworten. Fast alle, die zum Reden bereit sind, halten Al Gore für den Sieger. Aber auch unter ihnen sind viele, die ihm schlechte Manieren unterstellen. Denn Al Gore hat immer wieder vernehmbar aufgeseufzt, wenn ihm ein Äußerung seines Gegners nicht paßte, er hat oft unterbrochen und ein wenig von oben herab agiert. Und wenn die Kameras scharfgestellt und die Mikrophone empfindlich sind, dann sagt ein Seufzer oft wirklich mehr als tausend Worte.



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