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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Massenklagen

Mein Kollege Marc Fisher von der „Washington Post" war erstaunt. Ihm flatterte überraschend eine Gutschrift von seiner Kreditkartenfirma ins Haus. Keine große Summe: Es handelte sich um 38 Cent, das sind ziemlich genau sechs Schilling. Als Titel stand dabei: „Zahlung laut gerichtlichem Vergleich". Marc Fisher ging der Sache nach. Er fand heraus, daß diese 38 Cent an rund 18 Millionen Menschen ausgezahlt wurden, in Summe ging es also um einen erklecklichen Millionenbetrag. Ein findiger Rechtsanwalt hatte entdeckt, daß sich die Kreditkartenfirma manchmal einen oder zwei Tage Zeit ließ, um Zahlungen ihrer Kunden zu verbuchen. Dadurch wurden höhere Verzugszinsen fällig. Natürlich hat ein Tag mehr oder weniger die Zinsen nicht in enorme Höhen getrieben, aber für die Firma summierten sich die Beträge ganz schön, bis ihr die Klage einen Riegel vorschob.
Nun sind also die Kunden des Instituts um 38 Cent reicher. Der Rechtsanwalt aber, der das alles durchgebracht hat, konnte wesentlich mehr einstreifen: Der Richter bewilligte ihm ein Honorar in der Höhe von zweieinhalb Millionen Dollar, rund 40 Millionen Schilling.
Kein Wunder, daß amerikanische Rechtsanwälte landauf, landab auf der Suche nach ähnlichen Fällen sind. Wenn sie es richtig anpacken, dann winkt ihnen quasi über Nacht ein sagenhafter Reichtum. Aber man sollte es ihnen nicht allzusehr verübeln. Denn immerhin haben sie mit ihren Massenklagen dazu beigetragen, daß viele Firmen im Umgang mit ihren Kunden um einiges sorgfältiger geworden sind.
Auf unserem Kinderspielplatz im Park hat man übrigens gerade alle Spielgeräte aus Holz abmontiert und durch Metall- und Plastikkonstruktionen ersetzt. Auch das ist vor allem aus Angst vor Rechtsanwälten geschehen. Denn die bringen es zuwege, daß selbst ein kleiner hölzerner Splitter plötzlich als Bedrohung für Leib und Leben erscheint.



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