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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)

Zugiges

In unserem Ferienhaus nahe dem Faaker See war vor kurzem eine liebe Verwandte zu Gast. Es hatte über dreißig Grad, und drinnen, im Schatten, war es kaum kühler als draußen. Wir hatten Türen und Fenster offen stehen, aber unsere liebe Tante fing bald an, sich nicht hundertprozentig wohl zu fühlen. Der Luftzug war es, der durch das Haus ging. Uns fiel er gar nicht mehr auf, denn nach viereinhalb Jahren in Amerika sind wir aus unserem Übersee- Quartier ganz andere Zustände gewöhnt.
Der Ruf "Es zieht!" verlangt in Mitteleuropa nach sofortigem Handeln, nach schnellem Schließen von Fenstern und Türen. Im Englischen gibt es dagegen gar keinen Ausdruck, der diesem Ruf vergleichbar wäre. In Amerika zieht es immer und überall- und kaum ein Mensch findet das unangenehm. Jetzt, im Sommer, blasen einem die Klimaanlagen ständig eiskalte Luftströme ins Gesicht. Aber auch im Winter ist die Sache nicht viel anders. Denn in den meisten Häusern dienen die Luftblas- Öffnungen der Klimaanlage im Winter als Heizungs- Auslässe. Die selbe Maschine, die einen im Sommer mit Eiseskälte umweht, bläst im Winter einen stetigen Strom vom warmer Luft durchs Haus. Besonders energiesparend ist diese Art der Heizung nicht. Aber sie läßt einen immerhin ständig spüren, daß sie arbeitet, wenn sie es im ganzen Haus munter ziehen läßt.
Aber daheim in Kärnten müssen wir die Zugluft wieder zu unserem Feind erklären. Und wir müssen eifrig nach einem englischen Ausdruck für den Alarmruf "Es zieht!" suchen. Denn bald werden wir in Amerika wieder erklären müssen, warum das Land der unbegrenzten Möglichkeiten den Europäern ziemlich zugig erscheint.