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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Pendlerleben

Neun Stunden Flugreise in den Knochen, bepackt mit Koffern, Taschen und zwei Kindern, die täglich an Schönheit, aber auch an Gewicht gewinnen, so treten wir aus der Ankunftshalle des Flughafens von Washington. Der Kurzurlaub in Kärnten ist zu Ende. Bei der Gepäckausgabe ist unser Kinderwagen ziemlich ramponiert angekommen. Wir reklamieren gar nicht mehr, wir sind nur noch müde und wollen schnell nach Hause. Ein knappe Dreiviertelstunde dauert die Fahrt vom Flughafen zu unserem Haus an normalen Tagen. Leider gibt es immer weniger nornale Tage in dieser Stadt. Beim Beltway, der achtspurigen Ringautobahn, ist für erste Schluß. Wir stecken hilflos fest in einem Stau, der bis zum Horizont reicht. Auch auf den Nebenstraßen geht nichts mehr weiter. Wir stecken im ganz normalen Wahnsinn dieser Stadt, in der Flut des täglichen Pendlerverkehrs.
Die Gegend zwischen dem Flughafen und der Stadt Washington hat in den letzten Jahren ein enormes Wirtschaftswachstum erlebt. Hochtechnologiefirmen sonder Zahl haben sich dort etabliert, aber selbst die gutverdienenden Computerleute können sich oft kein Haus in der Nähe leisten. Sie nehmen stundenlange Fahrzeiten auf sich, denn weiter draußen in den Vororten sind die Häuser billiger, und ein Einfamilienhaus muß es nun einmal sein. Wohnungen gelten hier in erster Linie als Behausungen für Arme oder Alte.
Die Konsequenz: Millionen Amerikaner verbringen große Teile ihrer Lebenszeit im Auto. Es gibt eigene Kaffeebehälter für das Frühstück im Auto, es gibt Autorasierer in vielerlei Gestalt, und die Radiostationen machen vor allem deshalb so viel Gewinn, weil die Autofahrer stundenlang ihren Werbespots lauschen.
Zweieinhalb Stunden hat die Fahrt vom Flughafen zu unserem Haus schließlich gedauert. Für uns war es ein einmaliges Abenteuer, aber für Millionen Amerikaner ist es quälende, tägliche Routine.



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