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Übersee
von Peter Fritz
(Washington DC)
Keine Geheimnisse
Rudy Giuliani, der Bürgermeister von New York, ist für seine direkte Art bekannt. Er redete auch diesmal nicht lange herum: „Die schlechte Nachricht ist, ich habe Prostatakrebs", verkündete der Bürgermeister. „Die gute Nachricht ist, er ist in einem frühen Stadium, und man kann noch viel dagegen unternehmen."Es ist für amerikanische Politiker fast schon Pflicht geworden, jederzeit Auskunft über ihren Gesundheitszustand zu geben. Die ganze Nation kennt Bill Clintons Wehwehchen. Der Präsident ist leicht schwerhörig, hat einige Kilos zuviel und einen erhöhten Cholesterinspiegel. Die beiden Kandidaten für Bill Clintons Nachfolge, Al Gore und George Bush, berichten gerne vom täglichen Laufpensum, das sie im Dienst ihrer Gesundheit absolvieren. Bush gibt auch bereitwillig zu, daß er bis zu seinem vierzigsten Geburtstag dem Alkohol willig ergeben war, seither ist er aber völlig trocken.
Die tägliche Beobachtung durch die Fernsehkameras macht es den US- Präsidenten schwer, gesundheitliche Probleme zu verschweigen. Früher war das viel einfacher. Daß Präsident Franklin D. Roosevelt seit seiner Kinderlähmung im Rollstuhl saß, wußten zu seiner Regierungszeit die wenigsten Amerikaner. Der strahlende, jugendlich aussehende John F. Kennedy war in Wirklichkeit ein körperliches Wrack, nur ständige Cortisonspritzen konnten seine Drüsenkrankheit einigermaßen im Zaum halten.
Ein Präsident hat es allerdings geschafft, auch angesichts der Fernsehkameras über ein schweres Problem hinwegzutäuschen. Ronald Reagan zeigte in den letzten Jahren seiner Amtszeit schon Ansätze der Alzheimerkrankheit, aber er schaffte es, in gut eingeübter Routine zu verharren, sodaß ihm auf den ersten Blick nichts anzumerken war. Kein Wunder bei einem Präsidenten, der seine Lehrjahre als Schauspieler in der Illusionenschmiede von Hollywood verbracht hat.
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