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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)

Flugobjekte

Ich arbeite in der Großstadt Washington, wo das Leben schon manche Gefahren bereithält. Waghalsige Autofahrer, die einem den Weg abschneiden, verdächtige Gestalten in Hauseingängen, die sich als Kriminelle entpuppen könnten, fliegende Kanaldeckel…WAS??? Fliegende Kanaldeckel? Ja, tatsächlich, das gibt es bei uns in Washington.
Begonnen hat es in unmittelbarer Nähe meines Büros: Ein dumpfer Knall, ein Ruck. Plötzlich rissen sich drei Kanaldeckel aus ihren Verankerungen los und stiegen in die Luft, gefolgt von Stichflammen und Gasgeruch. Die Straße, in der das passierte, ist bei Autofahrern und Fußgängern gleichermaßen beliebt. Es war ausgesprochenes Glück, daß niemand zu Schaden kam.
Es folgte eine peinlich genaue Untersuchung, die keine wirkliche Klarheit bringen konnte. Das Elektrizitätswerk schiebt die Schuld aufs Gaswerk. Angeblich hatten die Gasarbeiter die Isolierung eines Stromkabels angebohrt, das hätte dann zu schmoren begonnen und die explosiven Gase entwickelt, die später die Kanaldeckel himmelwärts schickten. Falsch sei das, arglistige Täuschung, tönt es aus dem Gaswerk zurück, wo man insgeheim das E- Werk wegen schlecht geflickter Kabel im Verdacht hat.
Es hat in den Wochen danach noch fünf weitere, ähnliche Explosionen in anderen Stadtteilen gegeben. Wer hier den Eindruck bekommt, daß Washington am Zerfallen ist, der hat nicht ganz unrecht. Jahrelang stand die Stadt an der Kippe zum totalen finanziellen Ruin. Wichtige Erhaltungsarbeiten wurden unterlassen oder aufgeschoben. Erst seit kurzem läßt der Wirtschaftsboom auch in Washington die Steuergelder sprudeln. Die Sünden der Vergangenheit ungeschehen zu machen, das ist ein langwieriger Prozeß. Aber wenigstens müssen wir uns hier nicht vor fliegenden Untertassen aus dem Weltraum fürchten, wenn uns auf der Straße runde Flugobjekte um die Ohren sausen.