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Übersee
von Peter Fritz
(Washington DC)
Früher Sommer
Die Wetterberichte aus Österreich schaue ich mir derzeit mit klammheimlicher Feude an. Denn hier in Washington ist der Frühling schon voll ausgebrochen. Zeitweise geht er schon in einen regelrechten Frühsommer über. Im Garten hinter meinem Haus sind die Narzissen fast schon wieder am Verblühen, der Magnolienbaum entfaltet gerade die volle Pracht seiner riesigen Blütentulpen, und meine Kinder sind aus der Sandkiste kaum noch herauszubringen.Mahnend tönt es aus dem Fernseher: Dieser Winter war in den USA wieder der wärmste aller Zeiten, zum dritten Mal hintereinander. Abgase aus Automotoren und Fabriken machen die Erde zum Treibhaus.
Aber ich gestehe, daß mir der Treibhauseffekt zumindest derzeit nicht wirklich unangenehm erscheint, wenn ringsherum alles vom vorzeitigen Frühlingserwachen kündet.
In Frühlingszeiten verbindet die Hausbesitzer auf beiden Seiten des Atlantiks ein gemeinsamer Gedanke: Auf zum Bau- und Gartenmarkt! „Demnächst jeden Tag 24 Stunden geöffnet!" verheißt ein Schild beim Eingang. Ich gehe durch endlose Reihen von Gartenmaterial. Sackweise ist dort die Giftmunition aufgeschlichtet, für den Kampf gegen den schlimmsten Feind des gepflegten Rasens: den Löwenzahn. Bevor ich nach Amerika kam, wußte ich gar nicht, daß Löwenzahn ein Unkraut ist. Aber jetzt bombardieren mich dutzende Fernsehspots mit dieser Botschaft.
Die Nachbarn hier zücken beim geringsten Aufkeimen dieses Feindes sofort die Giftspritze. Daher muß ich jetzt selbst alles daransetzen, dem Löwenzahn in meinem Garten zuleibe zu rücken. Nicht auszudenken, wenn dieser Schädling von meiner Wiese aus den Nachbarsgarten infizieren sollte. Nur gut, daß ich jetzt bald auch um drei Uhr früh in den Baumarkt kann. Wer weiß, vielleicht plant der böse Feind Löwenzahn seinen nächsten Angriff auf meinen Garten ausgerechnet zur Geisterstunde.
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