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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Todes- Spiel

Ein heruntergekommenes Haus in Mount Morris bei Detroit. Im Vorgarten liegt der Müll verstreut, daneben ein Autowrack, im Haus herrscht das blanke Chaos. Statt Jalousien hängen Leintücher an den Fenstern. Der Schutz vor neugierigen Blicken ist den Bewohnern wichtig. Sie betreiben in diesem Haus einen schwunghaften Handel mit Drogen. Bis zu zehn Autos pro Stunde fahren dort vor, mit Kunden, die es sehr eilig haben. Keiner bleibt länger als fünf Minuten.
Neben großen Mengen von Drogen sind auch Waffen im Haus, und dazu zwei Kinder. Ihre Mutter hat sie dort abgegeben. Sie hat Drogenprobleme und kann nicht mehr für die beiden Buben sorgen. Für die Kinder gibt es im Haus nicht einmal ein Bett. Sie müssen zusammengekauert auf einem Sofa schlafen. Der sechsjährige Bub weiß, daß unter alten Decken auf dem Fußboden eine Pistole versteckt ist. Er nimmt sie mit in die Schule, zielt nach einem Streit auf seine sechsjährige Mitschülerin und drückt ab. Er trifft die kleine Kayla Rolland mit tödlicher Gewalt am Hals.
Der Fall hat enormes Aufsehen erregt. Ein sechsjähriger Todeschütze, das Drogenmilieu, die verwahrlosten Kinder, über all das wurde groß berichtet. Viele werden sich gedacht haben, daß so etwas nur in extrem zerrütteten Verhältnissen passieren kann. Weit gefehlt. Jedes Jahr kommen in den USA mehr als fünftausend Kinder und Jugendliche durch Schußwaffen ums Leben, wenn man Unfälle, Morde und Selbstmorde zusammenzählt.
Das Problem ist in diesen Fällen das gleiche wie beim spektakulären Mord unter Sechsjährigen: Kinder bekommen viel zu leicht Zugang zu Schußwaffen. Nur in 16 von 50 US- Bundesstaaten machen sich Eltern strafbar, wenn ihre Kinder an Waffen herankommen können. Schußwaffen gelten hier immer noch als stolzes Symbol der Freiheit. Dazu gehört offenbar auch die Freiheit, Kinderspiele mit tödlichen Ausgang zu riskieren.



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