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Übersee
von Peter Fritz
(Washington DC)
Unterkühlt
Es ist ein Anblick mit Seltenheitswert: Der Potomac, der Fluss, an dessen langgestrecktem Mündungsbogen die Stadt Washington liegt, ist steinhart gefroren. Die Kälte hält uns fest in ihrem Griff. Es ist hier schon etwas besonderes, wenn sich das Thermometer auf den Nullpunkt zubewegt. Die Amerikaner lesen die Temperaturen nämlich auf der Fahrenheit- Skala ab, und auf der liegt der Nuller dort, wo es nach Celsius schon 18 Minusgrade hat.Aber je kälter es wird, umso wärmer wird es den Kollegen der amerikanischen Fernsehsender ums Herz. Erstens haben sie jetzt besonders viele Zuschauer, weil bei tiefem Frost keiner gerne aus dem Haus geht. Und zum zweiten haben sie eine wahre Meisterschaft in der Kunst entwickelt, die Kälte fernsehgerecht ins Bild zu rücken.
So melden sich tief vermummte Reporter aus dem hintersten Minnesota, um von dort live zu berichten, wie die unentwegten Eisfischer die dicken Eispanzer der vielen Seen aufbohren und ihre köderbeschwerten Angeln ins bitterkalte Wasser hängen. Sie berichten aus Florida, wo die Orangen an den Bäumen einfrieren, und sie melden sich von der Inselgruppe der Outer Banks, wo es so selten schneit, dass der lokale Händler gerade einmal fünf Schneeschaufeln auf Lager hatte, als der Winter auch dort voll zuschlug.
Aus der simplen Kältewelle wird somit ein live im Fernsehen zelebriertes Unterhaltungs- Ereignis, das die Nation in kühler Gelassenheit verfolgen kann.
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