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Übersee

von Peter Fritz
(Washington DC)



Allein zu Haus

Eine seltsame Unruhe hat den mächtigsten Mann der Welt erfaßt. Er ruft jetzt oft spätnachts noch Freunde an, bleibt bis zu einer Stunde am Apparat, erzählt allerlei Geschichten und Schwänke und wird dann sentimental. „Ich würde mir wünschen, jetzt ein Jahr lang nicht schlafen zu müssen", meinte er in einer dieser nächtlichen Telefonstunden. Bill Clinton will jede Minute auskosten, die ihm in seinem Amt noch bleibt, denn jetzt ist unwiderruflich das letzte Jahr seiner Präsidentschaft angebrochen. Bei der Wahl im Herbst darf er nicht mehr antreten, denn das Gesetz erlaubt nur maximal zwei vierjährige Amtsperioden.
In Bill Clintons Privatgemächern im Weißen Haus ist es ziemlich ruhig geworden. Seine Frau Hillary ist ins neue Haus der Clintons bei New York gezogen. Tagsüber ist sie als Kandidatin für den Senat im Wahlkampf unterwegs. Tochter Chelsea studiert in Kalifornien, und auch viele der engsten Mitarbeiter Clintons springen jetzt ab, solange sie noch aus einer Vielzahl von Angeboten das lukrativste auswählen können. Vorige Woche, im Parlament, konnte Bill Clinton einmal noch das festliche Zeremoniell genießen, das traditionell die Rede zur Lage der Nation begleitet. Alle Abgeordneten müssen dort stehend applaudieren, wenn der Präsident eintritt, und seien sie ihm noch so feindlich gesinnt.
Clinton absolvierte seine Rede mit Bravour, aber die ersten Umfragen danach waren trotzdem nicht gerade schmeichelhaft für ihn. Die Mehrheit war der Meinung, er hätte seine Sache gut gemacht. Aber eine noch größere Mehrheit war froh darüber, daß Clinton das Weiße Haus in einem Jahr endgültig verläßt. Die Amerikaner sind ihres Präsidenten überdrüssig geworden. Sie haben ihm die Sex- und Lügenaffäre von einst verziehen. Aber sie sind recht froh darüber, daß er nur noch ein Jahr lang auf Steuerzahlers Kosten telefonieren wird.



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